Von der Kette gelassen

Umrüstung des Packster 80 auf Nabenschaltung mit Riemen

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Unser Jolly, das Packster 80, war bis vor Kurzem das einzige Rad mit Kettenschaltung in unserem Fuhrpark. Alle anderen Cargos sind mit Nuvinci bzw. Enviolo unterwegs und in den nicht motorisierten Fahrrädern verrichtet jeweils eine Rohloff-Schaltung ihren Dienst. Immer wieder werden Naben-und Kettenschaltungen verglichen und die Frage gestellt, welches das bessere System sei. Nachdem unsere Räder das ganze Jahr bewegt werden und ich für ihre Pflege und Wartung zuständig bin, kann ich diese Frage, zumindest für mich, sehr einfach beantworten. Aufgrund der Wartungsarmut haben die Naben ganz klar die Nase vorn und die Kombination mit einem Riemen ist hinsichtlich dieses Arguments ein weiterer Pluspunkt.

Der Plan und die ersten Schritte

Schon seit längerem spiele ich mit dem Gedanken der Umrüstung, aber wie so oft im Leben, muss es einen Auslöser geben um Pläne auch umzusetzen. Der Auslöser in diesem Fall war, dass der Nachbesitzer meines „alten“ Loads den umgekehrten Weg gegangen ist und ich somit eine Nuvinci-Schaltung zur Verfügung hatte. Viel zu schade um sie herumliegen zu lassen.

Das Herzstück der Transformation
Das Herzstück der Transformation

Der erste Schritt war getan und so folgte konsequent der zweite. Die Nabe wurde von Speichen und Felge befreit, da das Load mit 26 Zoll unterwegs ist, Jolly aber auf großem Rad (27,5 Zoll) daher kommt. Meinen ersten Plan, die alte Felge des Packers wieder zu nutzen, habe ich nach einem Gespräch in der Radstation aufgegeben und mich für eine neue entschieden. Auch das Einspeichen habe ich vom Profi machen lassen. Somit konnte ich beim Umbau auf eine frisch eingespeicherte Nabe zurückgreifen.

Erst einmal muss der Winterschmutz ab

Für Radfahrer war der letzte Winter ja kaum der Rede wert. Dennoch war es an manchen Tagen feucht genug, so dass sich eine gewisse Schmutzschicht auf dem Rad gebildet hatte. Auch die Fahrweise, vor allem der jüngeren Nutzer in der Familie, Stichwort sichere aber leider schlammige Wege entlang des Lechs mit Dreckspritzern bis über beide Ohren trotz Schutzblech, hat hierzu nicht unwesentlich beigetragen. Also musste die Schmutzsammlerin (es ist wirklich so, dass unsere Kleinste mit etwas über 50 kg Lebendgewicht am liebsten unser LKRad benutzt) erst einmal mit Lappen und Bürste tätig werden. Hierbei ist auch die Unterbodenwäsche ein wichtiger Aspekt. 😊

Unterbodenwäsche
Unterbodenwäsche
Materialliste

Neben dem Hinterrad mit der Nabe war noch das eine oder andere Teil nötig um die Transformation zu vollziehen.

  • Riemenscheiben vorn und Hinten (die hintere war nach der Abholung des Rades bereits montiert)
  • Riemen
  • Schutzhüllen für Bowdenzüge (ca. 5 Meter)
  • 2 Schaltzüge a´3 Meter
  • Schaltgriff (vorhanden)
  • Schaltinterface (vorhanden)
  • ein paar Kabelbinder

Nachdem alles aus der Liste besorgt war konnte es los gehen.

Die Transformation

Zuerst erfolgte der Ausbau des Hinterrades und der alten Schaltkomponenten.

Dies war schnell erledigt. Eigentlich war mein Plan die neuen Hülsen für die Schaltzüge mit dem alten Bowdenzug in den Rahmen einzuziehen. Leider ist dies aufgrund eines Knicks kurz vor dem Motor nicht gelungen. Auch ist die Öffnung beim Hinterrad so klein, dass meine „ Einziehhilfsverbindung“ aus Klebeband zum Einziehen zu dick war.

So ging es dann doch nicht
So ging es dann doch nicht

Schade eigentlich. Also habe ich zunächst alle alten Schaltkomponenten inklusive der Züge ausgebaut. Doch auch beim Durchschieben sind die neuen Zughülsen immer wieder an der vorderen Öffnung, beim Motor, vorbei gerutscht und wollten einfach nicht mehr aus dem Rahmen heraus. Irgendwie bin ich auch nicht gut an die Öffnung herangekommen und so habe ich kurzerhand den Motor ausgebaut.

Jolly ohne Motor
Jolly ohne Motor

Mit einer Drahtschlinge ist es dann gelungen die beiden schwarzen Hülsen an die richtige Stelle zu ziehen. Der Rest bis zum Lenker war dann einfach.

Die Hülsen sind vorne angekommen
Die Hülsen sind vorne angekommen

Nachdem auch der Motor wieder an Ort und Stelle war, war der aufwändigste Teil eigentlich schon erledigt und auch der Austausch des Schalthebels gegen den Drehgriff erfolgte problemlos. Ach ja, der Drehgriff. An dieser Stelle fiel mir auf, dass ich nicht an den notwendigen, kurzen rechten Griff gedacht hatte. Dieser fehlt natürlich auch auf der Materialliste.

Der vorderen Riemenscheibe lagen drei Distanzringe bei. Diese habe ich auch alle benötigt, da der Riemen sonst immer an der Motorabdeckung gestreift hat. Nach dem provisorischen Einbau des Hinterrades zeigte sich auch ein gerade Verlaufslinie des Riemens, die wichtig ist um diesen auf den Scheiben zu halten. Wieder ein Schritt geschafft.

Das Justieren der Schaltung

Wer schon einmal das Interface der Nuvinci / Enviolo Schaltung abgenommen hat weiß, dass es nicht immer ganz einfach ist das gewünschte Schaltverhalten und auch die korrekte Ausrichtung zu den Zügen wieder herzustellen. Daher lasse ich die Schaltzüge, bei der Montage, zunächst immer länger, als am Ende benötigt. Auch diesmal musste ich mit den Längen spielen und habe das Interface mehrfach justiert, bis alles gepasst hat. Schaltumfang und auch die Trittfrequenz bei hohen Geschwindigkeiten sind für mich die relevanten Größen.

Ungekürzte Schaltzüge
Ungekürzte Schaltzüge
Fertig

Nach den ersten Probefahrten konnte ich die Bowdenzüge der Schaltung dann auf die gewünschte Länge bringen. Den alten Griff für die rechte Seite habe ich manuell mit dem Cuttermesser gekürzt und er wird, wenn neue Lenkergriffe fällig sind, ersetzt.

Kein Öl mehr nötig
Kein Öl mehr nötig
Fazit

Das Rad läuft jetzt deutlich leiser als mit der (auch gut geölten) Kette. Den Umbau konnte ich in drei Stunden, dank Beratung und Vorarbeit von Profis, vornehmen. Und es gibt noch einen weiteren positiven Effekt. Unser Packster 80 gehört zur ersten Generation. Damals wurden noch „normale“ Schnellspannnaben verbaut. Seit dem ersten Tag war es kaum möglich mit dem Laster, ohne ein Schleifgeräusch der Scheibe zu erzeugen, um die Kurve zu fahren, denn die hintere Nabe hatte ein geringes Spiel. Dies ließ sich nie optimal einstellen. Dadurch kam es, gerade mit Ladung, zu dem beschriebenen Schleifen. Dank der stabilen Achse der Nabenschaltung ist das Problem nun auch Geschichte. Sollte jetzt die Frage nach den Kosten aufkommen, so muss ich die Antwort leider schuldig bleiben. Ich habe einige Teile letzten Samstag in der Radstation abgeholt und wollte im Laufe der Woche zum bezahlen vorbeikommen. Diesem Plan hat aber das Corona-Virus einen Strich durch die Rechnung gemacht, so dass ich die Kosten ergänzen werde, sobald ich diese genau beziffern kann.

Ganz zum Schluss

Jetzt ist nur noch eines unserer Lastenräder mit einer Kette, wenn auch mit Nabenschaltung, unterwegs. Das Load. Aber auch hier gibt es ja bereits eine Riemenvariante in der aktuellen Generation. Wer noch nie ein Rad mit Riemen gefahren ist, der sollte das unbedingt einmal nachholen. Leider fallen aktuell alle geplanten Veranstaltungen aus. Eigentlich sollte dieses Wochenende, im Rahmen des Tages des Wassers in Augsburg, wieder die erste Möglichkeit stattfinden, bei der Testfahrten möglich sind. Zur Aufheiterung eine Anekdote aus dem letzten Jahr.

Nach einem längeren Gespräch mit einem Interessenten über die Vor- und Nachteile eines Riemenantriebs wurde mir folgende Frage gestellt: „Gibt es den Riemen auch mit Kettenschaltung“. 😅

In diesem Sinne, Lachen ist gesund, Radfahren ebenso. Also kommt gut durch die schwierige Zeit.

6 thoughts on “Von der Kette gelassen”

  1. Schön und gut die Riemen – jedoch ist immer ein gewisser Kraftverlust beim Treten zu bemerken. Sicher die Wartungsarmut und der fehlende Oelfilm an der Kette (versus Hosenbeine beschmutzen) ist vorteilhaft – aber der Kraftverlust ist mir einfach zu hoch. Habe selbst ein Pinion Antrieb von Gates Carbon Drive wieder auf Kette umgerüstet – und seitdem bin ich gefühlt fixer unterwegs. Kette hält mit Neodrives Antrieb um 3500 km, erst dann ist die Längung zu groß und kann Ritzel und Kettenblatt beschädigen. Sonst wird bei normaler Kettenschaltung ohne E-Antrieb nach 1500km eine neue Kette benötigt.

    1. Nachdem es sich bei unserem Jolly um ein Lastenrad handelt, das zum Transport von Einkäufen und Material benutzt wird, sind mir hier die Wartungsvorteile deutlich wichtiger. Mit einem „Schlachtschiff“ geht es nicht um Geschwindigkeit und dank der Motorunterstützung sehe ich des mit der reduzierten Kraftübertragung als nachrangig an. Da das Packster 80 über einen Mittelmotor verfügt ist die Beanspruchung der Kette deutlich höher als bei einem Heckmotor. Dennoch scheint mir ein Wechselintervall mit 1500 Kilometern sehr gering.

      1. Bei mir handelt es sich auch um ein Lastenrad – wenn auch mit später nachgerüstetem Neodrives Antrieb. Und ich merke die fehlende Kraft beim Antrieb vorallem wenn ich große Lasten bewege.
        Seit Umrüstung auf Kette ist der Verbrauch vom E-Antrieb nicht mehr so hoch, ich komme einfach weiter mit dem gleichen Akkustand wie mit Riemenantrieb. Bei mir wird unterstützt bis 32 km/h, große Last bedeutet dann eine Reichweite von ungefähr 80 bis 90 km pro Akkuladung. Hügeliges Gelände und forcierte Fahrweise.

        Kette wird gewechselt wenn es nötig ist, mit Kettenschaltung und schlammiger Piste (Schotterwege) ist der Verschleiss halt recht groß.

        1. Der Wirkungsgrad wird ja schon durch die Schaltung verringert:
          Die Nuvinci hat einen spür- und messbar schlechteren Wirkungsgrad als eine Rohloff oder gar Kettenschaltung. Das schlägt sich dann zB in Laktat und der Akku-Reichweite nieder. Ich kenne Statistiken von identischen Fahrzeugen die sich lediglich im Antrieb (Nuvinci ./. Rohloff) untschieden: Der Unterschied schlug sich bei einem Schwerlast-Deltadreirad mit >5% Reichweitendifferenz nieder.

          zum Verschleiß: bei 1×10-/1×11-/1×12-Setups wird die Kette durch den Schräglauf massiv mehr belastet.
          Eine allzeit gerade Kettenlinie (a la Nabenschaltung jeglicher Art) hilft da schon viel.
          Wenn man dann noch den Belastung durch Schmutz reduziert ist man schon sehr günstig unterwegs: Ich nutze inzwischen gerne den Hebie Chainglider, welcher mir am Urban Arrow schon zu Kettenlebenserwartungen von 3000+km verholfen hat (aktuell ist die Kette auf dem Douze auch schon 2500km alt und zeigt keinen nennenswerten Verschleiß).
          Besonders wenn das Rad auch von modebewussten Damen gefahren wird spielt der Chainglider einen weiteren Vorteil aus: Keine Mäntel oder Kleider können sich im Antrieb verfangen – ein nicht zu verachtendes Einsparungspotential….

          Auch höre ich auch von Leuten die mit dem Riemen – besonders wenn das Fahrzeug viel in der Sonne parkt- Probleme bekommen (Sprödigkeit und Geräuschentwicklung). Andere sind nach 8000km immer noch glücklich am fahren und ein Riemenwechsel nicht in Sicht…

          Alles in Allem: den perfekten Antrieb gibt es nicht. Aber für jeden findet sich ein sinniges Setup.

          Schöner Umbau. Gute Fahrt.

  2. Ich kann den Wechsel gut nachvollziehen. Bei meinem Chanrger hab ich auch die Nuvinci und finde die absolut genial. An meinem S-Packster hab ich eine Kette, einfach weil die Nuvinci nicht genügend Entfaltung für die 45km/h bringt. Das S-Load wurde nun mit der wesentlich teureren Rohloff geordert. Ein paar Mal Kette und Ritzel wechseln und man hat die Kosten für die Rohloff wieder drin.

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